Ich habe noch nie verstanden, was damit eigentlich gemeint ist, wenn man sagt, irgendeine Sprache klinge "weich". Jeder scheint da seine eigene Vorstellung zu haben...
Sagen wir mal so: Zwei fundamentale Tendenzen in Sprachen sind Lenition und Fortition, wobei ich mit ersterem nicht die weiche Mutation in Sindarin im engen Sinn meine. Bei der Lenition erleichtert sich der Sprecher den Redeprozess und vereinfacht die seiner Vorstellung nach komplizierten Laute. Bei der Fortition dagegen redet der Sprecher besonders artikuliert, damit keine Missverständnisse auftreten und sein Gegenüber die Botschaft mit allen Lauten darin auch gut versteht.
Deutsch neigt demnach sehr oft zur Fortition: Während z.B. in anderen Sprachen ein
n einer Vorsilbe sich an die folgenden Konsonanten assimiliert - etwa Griechisch
syn-, was
sym- vor Labialen und
syŋ- vor Velaren wird - hat man im Deutschen bei
anfangen, angreifen immer ein dentales
n. Zudem wird in Wortzusammensetzungen der zweite Bestandteil stets mit einem Glottisschlag abgetrennt, falls er mit einem Vokal beginnt. Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht eher solche Dinge sind, die dem Deutschen den Ruf einer unschönen Sprache bescheren, statt etwa dem Rachen-r.
Jedenfalls wäre in diesem Sinne Sindarin natürlich stark in Richtung der Lenition geneigt, hier werden Zusammensetzungen radikal eingeebnet, oft bis zur Unkenntlichkeit. Ab und zu findet man aber auch Tendenzen der Fortition, z.B. in
danbeth oder bei der generellen weichen Mutation in
adbed, pen-bed, palan-díriel statt der nasalen oder der Stopp-Mutation.
In diesem Sinne wäre Sindarin tatsächlich "weich" und "der Wohlklang spielt eine besondere Rolle" oder wie man es auch immer nennen will.
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An dieser Stelle nochmals zu dem Plural von Gerundien in Sindarin: Die Kernfrage ist ja, ob sie nur den Prozess der Handlung beschreiben (das Grüßen), oder auch das Ereignis oder Ergebnis der Handlung (der Gruß). Deutsch unterscheidet diese zwar strikt, scheint mir aber in der Minderheit zu sein. Russisch
-nije, Französisch
-tion (u.a.) machen diesen Übergang problemlos, anscheinend auch arabische Verbalnomen, wie ich der Wikipedia entnehme.
Was nun Sindarin angeht, so scheint mir doch die Benutzung von
suilad im Königsbrief gerade "das Ereignis des Grüßens" zu bedeuten; ebenso muss auch z.B.
cabed-en-aras als "der Sprung des Hirsches", also als Ereignis, und nicht als "das Springen" als Handlung verstanden werden.
Tolkien beschreibt gerade diesen Übergang von der Handlung zu einem zählbaren Nomen für die Endung
-le in Quenya:
Nouns made with the ending -le seem properly to have been universal and abstract; though naturally in colloquial usage they often became particular in reference. As quenta 'a narrative, a story', quentale 'narration, History'; but quentale Noldoron / Noldorinwa 'the history of the Noldor'. (VT39:16)
Wir sehen z.B. auch
maitale 'the act (not result) of doing such work [art]' (PE17:163), d.h. "das Fertigen von Kunst", dagegen aber
fintaler 'tricks' (PE17:119), d.h. "Tricks, Ereignisse des Tricksens".
So etwas würde ich auch für Sindarin erwarten, bloß nicht unbedingt als die Übersetzung von Engl.
greetings, denn es bleibt immer noch ein einzelnes Ereignis des Grüßens. Das englische Wort scheint mir eine Art
Pluralis Majestatis zu sein, bei dem man Respekt gegenüber seinem Gesprächspartner zeigt, indem man ihn mit abstrakten Grüßen überhäuft.